Von der Irrsdorfer-Rotte zu den Leonhardi-Schützen

Die Entstehungsgeschichte der Leonhardi-Schützen in Irrsdorf ist enger als bisher gedacht mit der Entstehungsgeschichte von Straßwalchen in die heutige Zeit verbunden und kann als Abbild der oft tränenreichen aber auch freudigen Geschichte bezeichnet werden.

Was Wenige wissen, auf unserem Gemeindegebiet befand sich mit dem Landgericht Höchfeld eine der ältesten frühdemokratischen Formen einer Dorfgerichtsbarkeit, in der die alten Weisthümer und Herkommen gepflegt wurden und die mit den Schweizer Bauernkommunen zu vergleichen ist. Gleichzeitig befand sich in Irrsdorf ein wahrscheinlich keltisches Fruchtbarkeitsheiligtum, welches später von den Römern übernommen wurde und schließlich sehr früh christianisiert als die heutige Wallfahrtskirche Irrsdorf entstand. Papst Gregor der Große (590-604) selbst drängte bei der Missionierung ständig darauf an und über den alten Heiligtümern christliche Gebetsstätten zu errichten. In den ältesten Urkunden des Landes Salzburg der Breves notoiae findet sich schon 784 eine Kirche zu Irrsdorf.
Durch die bayrische Landnahme war Straßwalchen urbayrisches Gebiet, die Pfarre gehörte zum Kloster Mondsee, welches seinerseits wieder dem Fürstbistum Passau unterstand. Nach einer wechselvollen Geschichte konnte Erzbischof Schenk von Osterwitz endgültig die beiden Herrschaften Mattsee und Straßwalchen im 14. Jahrhundert dem Erzbistum Salzburg einverleiben, wobei die Pfarre selbst allerdings beim Kloster Mondsee verblieb. Das plötzliche Interesse an der Herrschaft Straßwalchen ergab sich für den Erzbischof aus der Blockade des Salzhandels durch Herzog Albrecht. Es mussten neue Transportwege für den Salzverkauf nach Österreich gefunden werden, da die Wasserstraßen von Salzach/Inn/Donau gesperrt wurden. Eine dieser Ausweichrouten führte über die Maut Straßwalchen in das habsburgische Territorium. Der Salzweg bei Oberhofen zeugt noch von dieser Zeit. Infolge dieser anhaltenden Bedrängnisse erließ Erzbischof Friedrich im Jahr 1328 erstmals die Anordnungen zur Schaffung einer Landesfahne, wobei bereits mit Reichsspruch vom 1. Mai 1231, Städte und Märkte ermächtigt worden waren, zu ihrer Verteidigung Bürgerwehren aufzustellen und Erzbischof Eberhard II., 1244 die Bayrische Landfriedensordnung „Pax Bavarica“ zur Verteidigung von Haus und Hof bei kriegerischen Überfällen durch Bewaffnung von Bauern mit beschwor. 1494 kam es unter Erzbischof Friedrich III. Graf Schaumburg im Zuge der andauernden Türkengefahr endlich zu einer nachhaltigen Neuorganisation der Landfahne. Aus den Listen über die Einhebung der Reichssteuer von 1497 kann die Einwohnerzahl und die Zahl der abzustellenden Soldaten für jeden Gerichtsbezirk erschlossen werden. Jeder 10. Mann musste sich nach altem Herkommen für die Aufstellung der Landfahne registrieren lassen. Während der Türkenkriege und Einfälle befürchtete man eine große Gefahr, über das flache Land in die Residenzstadt Salzburg einzudringen und achtete daher sorgfältig auf eine optimale Verteidigung des heutigen Flachgaus. Im Verlauf des Landshuter Erbfolgekrieges kam im November 1504 Kaiser Maximilian „der letzte Ritter“ nach Straßwalchen. Im großen Bauernkrieg von 1525/1526 gehörte Straßwalchen zu den wenigen Wehrpflichtigen Märkten. Die Landgerichte wurden in Viertel und Rotten unterteilt. Die Landfahne Straßwalchen/Köstendorf hatte eine Stärke von 300 Mann zu erreichen, wobei 9 Rotten genannten werden, Irrsdorf und Umgebung hatten eine Rotte mit einem Unteroffizier zu stellen, der von der Mannschaft selbst gewählt wurde. Als Hauptmann fungierte großteils der jeweilige Graf Überacker von Sighartstein, welcher oftmals auch die Befehlsgewalt über das gesamte erzstiftische Heer hatte. In den Chroniken aus dieser Zeit steht zu lesen, dass je nach Größe ein- oder mehrer hundert „gueter, gewerte Mann ausgeschossen und gemustert“ werden sollen. Im Notfall müssen sie der Pfleger oder Richter aufbieten, „also daz man im Stifft aus allen Gerichten etlich Fändl gueter, gewerter Mann“ aufstellen könne. Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau bereitete seine vielen Kriegszüge gegen Bayern und die Türken vor und beorderte 1595 einen Großteil der gesamten Landfahne zu Übungen nach Straßwalchen und Salzburg. Zu diesen Übungen rückte alleine die Laufener Landfahne (heutige Schifferschützen) mit insgesamt 600 bis 1000 Mann zu Fuß und Pferd nach Straßwalchen und Salzburg. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) wurde zum nächsten Prüfstein der Straßwalchner Landfahne. Er begann mit einem Überfall von bayrischen Söldnern auf den Markt Straßwalchen. Dieser Überfall blieb übrigens die einzige Kriegshandlung während dieses Krieges im Erzstift, abgesehen von den Kriegshändeln bei der Stadt Mühldorf. Es war also das passauische Kriegsvolk und der Heerhaufen des oberösterreichen Bauernführers Stefan Fadinger der bis 1628 Salzburg und Straßwalchen bedrohte. Erstmals hatte der Markt Straßwalchen 50 Feuerschützen zu stellen, insgesamt hatte die Landfahne in dieser Zeit 20.000 Mann unter Waffen. Der latent gefährdete Markt Straßwalchen wurde vorbildlich durch den Dom- und Festungsbaumeister Sandino Solari befestigt. Noch heute sind Teile dieser Befestigungsanlagen im Bereich der Pfarrkirche deutlich sichtbar. Die umsichtige und weise Regierung von Erzbischof Paris Graf Lodron bescherte dem Erzstift jedoch in dieser wirren Zeit eine Friedensperiode. In seinem Brief vom Juni 1626 ermahnt Paris Lodron:

"Demnach wür bey jetzt schwebender Unruhe im Landt ob der Ennß und von dannehro unsern Erzstift antrohenden Gefahr zu mehrern Versicherung unserer gethreuen Unterthanen ein sonderbare Nothdurft zu sein befünden, unsern Märkht Neumarkt und Straßwalchen etwas sofill nach Gelegenheit selbiger Orthen immer sein kann, mit Schanzen verwahren zu lassen. Auch zu solchem Ende unserm bestellten Obristlieutnant Johann Sigmundt von Mabon, Ritter, deßgleichen unsern Baumaister Santino Solari soliches Werkh bestermaßen anzuordnen und für die Hand zu nemmen Befelche geben.“

Trotz aller oder vielleicht wegen der ständigen Kriegsgefahr wurde Salzburg gerne von hohen und höchsten Persönlichkeiten besucht. Im Juni 1628 kam der junge Großherzog Ferdinand II. von Toskana, in Begleitung seiner Mutter Magdalena, der Schwester Kaiser Ferdinands II., des Fürsten von Venosa und des Prinzen Johann Karl von Medici, über Frankenmarkt kommend nach Straßwalchen. In Straßwalchen empfing Domdekan Wilhelm Freiherr von Welsperg den hohen Besuch, wobei 100 Soldaten zur Begrüßung paradierten. Aus dem Jahr 1663 liegt uns die erste Namensliste von „Feuerschützen im Markht- vnd Landtgericht Strasswalchen und Hechfeldt.“ Vor. Im Jahre 1682 bestand wiederum eine Türkengefahr für Salzburg. Wiederum wurden zunächst die Schlösser, Städte und Märkte des flachen Landes, unter anderem Straßwalchen mit jeweils 74 Reitern und 210 Fußsoldaten besetzt. Man befürchtete, dass es bei einem Fallen Wiens, türkische Streifscharen über Oberösterreich in das Erzstift gelangen könnten. Für die Landfahne gab es keine große Verschnaufpause. In der Zeit von 1702-1706 hatte man das Land gegen die „Bayrischen Troublen“ im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges zu bekämpfen und im Jahr 1731 begann mit der Vertreibung der Protestanten das wohl dunkelste Kapitel der Salzburger Landesgeschichte. Um ein Übergreifen der Bewegung in das Vorland zu verhindern wurde wiederum die Landfahne einberufen. Eine Schießstatt für Markt und Höchfeld wurde errichtet und die 67 Mann der Straßwalchner Bürgerschaft mit dem Thalhamer Viertel wählten Wilhelm Reichenberger zu ihrem Kommandanten. Während dieser Zeit fröhnte man aber auch dem barocken Prunk der gerade in Irrsdorf durch den Bildhauer Johann Meinrad Guggenbichler vertreten war. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde an der Marienkirche zu Irrsdorf eine Leonhardskapelle angebaut und Meister Guggenbichler schuf den eindrucksvollen Leonhardsaltar wo er sich in der Gestalt des hl. Leonhard 1715 selbst verewigte. Übrigens eines seiner letzten Werke und die einzige Selbstdarstellung des Meisters dessen ganzes Leben mit Straßwalchen eng verbunden war.
Nach Errichtung der Leonhardskapelle gab es in der Barockzeit jährliche Prozessionen zu Ehren des hl. Leonhard. 1740 nahmen an dieser Prozession erstmals Mitglieder der Irrsdorfer Rotte der Landfahne in ihren Uniformen, den langen dunkelblauen Waffenröcken, gelben Beinkleidern und einem flachen schwarzen Filzhut, teil. Allerdings wurde dieses Brauchtum in der Regierungszeit des aufgeklärten Erzbischofs Hieronymus Colloredo (1772-1812) verboten. !762 erfolgte unter den Kommandanten Johann Prändl und Benedict Estlinger der Neubau der „uralten“ Schießhütte. Wo sich diese befand kann nicht mehr genau gesagt werden, aber die Schiessstatt dürfte in der Nähe des Irrsberges befunden haben. Als die Franzosenkriege begannen, ließ Erzbischof Colloredo am 28. März 194 neuerlich errichten, wobei die alte Ordnung beibehalten wurde. Aus dieser Zeit liegt uns ein Bericht des Straßwalchner Pflegers an den Hofkriegsrat vor. Allerdings konzentrierten sich die Kämpfe der Koalitionskriege auf die Gebirgsgaue, da eine offene Feldschlacht auf dem flachen Lande einfach nicht zu gewinnen war. Straßwalchen selbst wurde von französischen Truppen beschossen und eingenommen, es war die Zeit der Auflösung des geistlichen Fürstentums Salzburg. Nach wechselvollen Landeszugehörigkeiten kam Salzburg endgültig zu Österreich und damit wurde auch die alte Landesfahne mit ihren 22 Fähnlein Fußvolk, 11 Fähnlein Dragoner, 3 Fähnlein Reiter und einem Fähnlein Schiffleuten aus Laufen aufgelöst. Gleichzeitig wurde 1791 das älteste Kloster auf österreichischem Boden (748 vom Baiernherzog Odilo II. in Mondsee gegründet) durch ein kaiserliches Dekret aufgehoben. Die Pfarre Straßwalchen wurde nun auch nach Salzburg eingegliedert. Der letzte Prior von Mondsee, der aus Neumarkt stammende, Pater Georg Sochor OSB hatte den Verkauf des gesamten Klosters samt Inventar und Liegenschaften durchzuführen und übersiedelte danach nach Straßwalchen wo er als erster Pfarrer der nun erzbischöflichen Pfarre am 16. November 1807 in Straßwalchen starb.

Bereits dieser kurze Abriss der Geschichte zeigt wie interessant sich der Werdegang der Irrsdorfer Leonhardischützen gestaltet hat. Zwei Daten sind dabei erwähnenswert, nämlich die erste Konstitution der Landwehr mit der der Markt Straßwalchen und das Landgericht Höchfeld in die Landwehr eingegliedert wurden, das war 1494. Der nächste wichtige Termin wäre das erstmalige Auftreten als eine Art Brauchtumsorganisation anlässlich des Festes zu Ehren des Hl. Leonhard im Jahre 1740 in Irrsdorf, so wie dies auch auf der alten Vereinsfahne vermerkt wurde und zuletzt  die Neugründung nach der 1939 stattgefunden Auflösung, im Jahre 1944 unter dem Titel der berittenen Bauernschützen Irrsdorf. Das Leben und die Arbeitswelt waren eng mit dem kirchlichen Brauchtum verbunden und oft hatten die Schützen sicherlich in mancherlei kriegerischen Begegnung die heilige Mutter Gottes und den heiligen Leonhard angerufen.

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